Wenn in einer Zeitung die Äußerung eines Abgeordneten wiedergegeben wird und hieraus Schlussfolgerungen gezogen werden, handelt es sich um nicht zu beweisende Werturteile. Die hierfür erforderliche Tatsachengrundlage ergibt sich aus den Äußerungen des Abgeordneten.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 10 EMRK lässt nur wenig Raum für Einschränkungen, wenn es um eine politische Diskussion oder um Fragen des öffentlichen Interesses geht.
Bei Politikern sind diese Grenzen noch weiter als bei Privatpersonen, da sich diese bewusst der aufmerksamen Kontrolle der Öffentlichkeit aussetzen und deswegen eine gesteigerte Toleranz zeigen müssen.
Der Presse kommt insoweit die unverzichtbare Rolle eines “Wachhundes“ zu.
Urteil des EuGH, 48311/10
Vorliegend hatte die Bild-Zeitung über die Frage eines Abgeordneten berichtet, ob Gerhard Schröder 2006 u.a. wegen der Aussicht auf einen lukrativen Posten bei Gazprom in politisch aussichtsloser Lage Neuwahlen herbeigeführt hat. Diese Berichterstattung wurde von deutschen Gerichten untersagt, hierin sieht der Europäische Gerichtshof einen Verstoß gegen Art. 10 EMRK, es bestand kein dringendes soziales Bedürfnis, dem Schutz des guten Rufes des ehemaligen Bundeskanzlers Vorrang gegenüber dem Recht auf freie Meinungsäußerung und dem allgemeinen Interesse an der Pressefreiheit bei Fragen von öffentlicher Bedeutung einzuräumen.