Wenn die Bußgeldbehörde nicht alle angeforderten Unterlagen zur Verfügung stellt, kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Es ist umstritten, ob gegen diese Entscheidung des Gerichts Beschwerde eingelegt werden kann.
Das LG Wiesbaden hält eine Beschwerde zumindest dann für möglich, wenn die Entscheidung des Gerichts außerhalb der Hauptverhandlung (wie bei dem geschilderten Vorgang) getroffen wurde. Allerdings sieht es für den Betroffenen kein Recht auf Zugang zu den Quellen der Sachverhaltsdarstellung, also kein Einsichtsrecht. Auch der Grundsatz des fairen Verfahrens ermöglicht nicht die Einsicht in sämtliche Unterlagen. Das LG Wiesbaden weist dann noch darauf hin, dass es entgegen einer Meinung in der Rechtsprechung weder Pflicht noch Obliegenheit des Betroffenen sei, seine Unschuld darzulegen oder zu beweisen. Er könne sich auf sein Schweigerecht berufen.
LG Wiesbaden, 1 Qs 9/20
Problematisch an dieser Entscheidung ist nur, dass bei standardisierten Messverfahren der Betroffene in der Pflicht ist, etwaige Messfehler konkret darzulegen. Ich kenne kein Gericht, dem ein Bestreiten des Betroffenen reicht, um Zweifel zu haben. Und wenn diese Zweifel nicht konkret dargelegt werden können, muss das Gericht nicht weiter ermitteln, sondern kann den Wert der standardisierten Messung einer Verurteilung zu Grunde legen.
In einem ähnlichen Verfahren hat das LG Ellwangen (Jagst) eine andere Entscheidung getroffen. Es hält schon die Beschwerde für unzulässig, solange gegen ein späteres Urteil die Rechtsbeschwerde möglich wäre. Diese ist bei Geldbußen von mehr als 250 € oder einem Fahrverbot immer zulässig. Ob das vom Gericht genauso gesehen wird, wenn in einer nachfolgenden Hauptverhandlung eine Verurteilung unter dieser Grenze droht (dann ist nur ein Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde möglich), lässt sich dieser Entscheidung nicht entnehmen. Allerdings scheint das Gericht dahin zu tendieren, dann vielleicht doch die Beschwerde zuzulassen.
LG Ellwangen, 1 Qs 21/20
Das Gericht weist dann noch darauf hin, dass es nach den Entscheidungen des OLG Karlsruhe (1 Rb 10 Ss 291/19) und OLG Stuttgart (1 Rb 28 Ss 300/19) naheliegt, dem Betroffenen angeforderte Unterlagen zur Überprüfung der Messung zur Verfügung zu stellen.