Auch heute arbeitet das Bundesverfassungsgericht. Der Antragsteller ist katholischen Glaubens und besucht regelmäßig die heilige Messe. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass im katholischen Glauben die gemeinsame Feier der Eucharistie ein zentraler Bestandteil ist, deren Fehlen nicht durch alternative Formen der Glaubensbetätigung kompensiert werden kann. Insoweit stellt das Verbot der Zusammenkünfte auch in Kirchen einen schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit dar. Dies gilt insbesondere auch während der Osterfeiertage.
Trotzdem wurde die entsprechende Verordnung aus Hessen nicht außer Kraft gesetzt. Es stand zu befürchten, dass viele Menschen in die Kirche gehen und sich dort möglicherweise mit dem Virus infizieren würden. Die Kammer bezieht sich auf die Risikoeinschätzung des Robert-Koch-Instituts vom 26. März 2020 und schließt nicht aus, dass es infolge der Erkrankung vieler Personen zu einer Überlastung der Krankenhäuser bei Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls hierdurch verursacht auch zu Todesfällen kommen könnte. Einzige Möglichkeit, dies zu vermeiden, sei das Verbot des Besuchs von Gottesdiensten. Hierdurch würden nicht nur die Personen, die den Gottesdienst besuchen wollen, sondern auch deren Kontaktpersonen geschützt.
Nach Auffassung der Kammer hat der Schutz von Leib und Leben derzeit trotz des damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffs in die Glaubensfreiheit Vorrang. Nach der Bewertung des Robert-Koch-Instituts kommt es in der derzeit frühen Phase der Pandemie darauf an, die Ausbreitung der hochinfektiösen Erkrankung zu verlangsamen, indem möglichst weitgehend persönliche Kontakte von Menschen ausgeschlossen werden. Hierdurch soll ein Kollaps staatlicher Gesundheitssysteme vermieden werden.
Insoweit ist auch die Befristung der entsprechenden Verordnung bis zum 19. April von Bedeutung. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung fortgeschrieben werden muss. Bei jeder Fortschreibung muss auch mit Blick auf den mit einem Gottesdienstverbot verbundenen, überaus schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit eine strenge Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgen. Auch ist dann zu prüfen, ob angesichts neuer Erkenntnisse verantwortet werden kann, das Verbot von Gottesdiensten – gegebenenfalls unter strengen Auflagen – vielleicht auch nur regional begrenzt zu lockern.
Die Kammer weist abschließend darauf hin, dass diese Überlegungen auch für andere Religionsgemeinschaften gelten, die durch das Verbot von Zusammenkünften vergleichbar schwer betroffen sind.
BVerfG, 1 BvQ 28/20