Der Beschwerdeführer beantragte die Genehmigung von Versammlungen u.a. am 16. und 17. April 2020 in Gießen. Demonstrationen unter dem Motto „Gesundheit stärken statt Grundrechte schwächen – Schutz vor Viren, nicht von Menschen“ waren am 14., 15., 16. und 17. April 2020, jeweils von 14 bis 18:00 Uhr geplant. Er ging ungefähr von 30 Teilnehmern aus. Während der Demonstration sollten die Infektionsschutzmaßnahmen hinsichtlich notwendiger Abstände zwischen den Personen eingehalten werden. Redebeiträge sollten über das eigene Mobiltelefon des jeweiligen Redners zu einer Beschallungsanlagen übertragen werden. Die Ordner sollten die Einhaltung der Vorgaben überwachen.
Die Stadt Gießen verbat die Versammlungen unter Hinweis auf die Verordnung der hessischen Landesregierung zur Bekämpfung des Corona-Virus. Sie meint, es existiere ein generelles Verbot von Versammlungen von mehr als 2 Personen, die nicht demselben Hausstand angehören.
Der Beschwerdeführer erhob Widerspruch und versuchte beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs und somit die Durchführbarkeit der Versammlung zu erreichen. Dies blieb erfolglos, ebenso in der Beschwerdeinstanz.
Sodann wurde das Bundesverfassungsgericht angerufen. Dieses entschied am 15. April, dass der Widerspruch des Beschwerdeführers aufschiebende Wirkung entfaltet, zumindest für die Versammlungen vom 16. und 17. April 2020. Diese können also durchgeführt werden.
Das Bundesverfassungsgericht kann einen Streitfall durch eine einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist (§ 32 BVerfGG). Es wird zumindest mit betrachtet, ob eine nachfolgende Verfassungsbeschwerde Erfolgsaussichten hätte, wenn verwaltungsgerichtliche Beschlüsse betroffen sind, die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (wie vorliegend) ergangen sind. Hier drohte die Vorwegnahme der Hauptsache, indem die Demonstrationen nicht durchgeführt werden können.
Die Verbotsverfügung der Stadt Gießen verletzt den Beschwerdeführer offensichtlich in seinem Grundrecht aus Art. 8 GG. Für alle Deutschen ist das Recht gewährleistet, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. Nach Abs. II dieser Vorschrift kann dieses Recht für Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Die Corona-Verordnung des Landes Hessen enthält kein generelles Verbot von Versammlungen unter freiem Himmel, auch nicht für mehr als 2 nicht demselben Hausstand angehörige Personen. Die Entscheidung von Gießen ist insoweit falsch gewesen, die Untersagung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht. Eine Ermessensentscheidung hätte bestanden und bei dieser Entscheidung wären Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf Art. 8 GG zu beachten gewesen, was die Stadt aufgrund der Meinung, es gäbe ein absolutes Versammlungsverbot, nicht getan hat.
1 BvR 828/20