Stau und ein nicht erreichbares Gericht

Der Betroffene war von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden. Der Verteidiger fuhr rechtzeitig los, seine Ankunft verzögerte sich wegen einer unfallbedingten Vollsperrung auf der Autobahn um 32 Minuten, zu diesem Zeitpunkt hatte das Gericht im Rahmen einer Abwesenheitsverhandlung das Urteil bereits verkündet.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde war erfolgreich und führte zur Aufhebung des Urteils.

Ein Betroffener hat Anspruch darauf, sich durch einen Verteidiger verteidigen zu verlassen. Schon bei nicht angekündigter Verspätung gebietet es daher die prozessuale Fürsorgepflicht, dass das Gericht mind. 15 Minuten wartet, bevor mit der Hauptverhandlung begonnen wird.

Hier hatte der Verteidiger aus dem Stau heraus versucht, das Gericht über die Verspätung zu informieren. Durch die Anrufliste wurde belegt, dass er versucht erfolglos (niemals ging jemand ans Telefon) hatte, 7mal die Gerichtszentrale anzurufen, weitere 11 Versuche gab es unter der Durchwahl des Geschäftszimmers. In der Nichterreichbarkeit liegt ein Fehler des Gerichts, insoweit ist es unerheblich, dass die Richterin keine Kenntnis von der Verspätung und dem Grund erhielt.

Die Verspätung war auch unverschuldet, hierzu reicht bei rechtzeitiger Abfahrt ein außergewöhnlich ausgedehnter Stau. Ohne den Stau wäre der Verteidiger bereits ca. 15 Minuten vor Verhandlungsbeginn erschienen.

Dieser Verstoß gegen die gerichtliche Fürsorgepflicht ist nicht nur ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, dies hätte nämlich für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 80 I Nr.2 OWiG nicht gereicht, hier ist ein Gehörsverstoß (Art. 103 I GG) gegeben. Und hier war der notwendige Sonderfall gegeben, dass der Betroffene entbunden war und auf die Terminswahrnehmung seines Verteidigers vertraute.

OLG Braunschweig, 1 ORbs 62/24

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