Wenn ein KFZ-Führer nach links abbiegen will, unterliegt er erheblichen Sorgfaltspflichten. Gem. § 9 Abs.I StVO muss er sich rechtzeitig möglichst weit links einordnen und sich vor diesem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen vergewissern, dass er den nachfolgenden Verkehr nicht gefährdet. Dies gilt auch gegenüber Fahrzeugen, die gerade überholen wollen. Insoweit hat der entgegenkommende und gleichgerichtete Verkehr Vorrang vor dem Abbiegenden.
Kommt es dennoch zu einem Unfall mit dem Überholer, so wird ein Anscheinsbeweis angenommen, dass der Abbieger gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen hat; er trägt die Verantwortung. Dies gilt sogar, wenn der Überholende alkoholisiert war, aber keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen gegeben waren. Bei einer Kollision eines Überholers mit einem Linksabbieger wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass diese Kollision für den Überholenden unvermeidbar war (OLG München, 10 U 299/14). Der Linksabbieger wird also bezahlen müssen, selbst rechtzeitiges Blinken wird ihm hier nicht helfen.
Etwas anderes kann aber ausnahmsweise gelten, wenn die typisierende Betrachtungsweise des Anscheinsbeweises nicht zum Tragen kommt, weil zum einen ein Überholen an der Stelle entweder durch entsprechende Verkehrszeichen oder aber aufgrund der unklaren Verkehrslage verboten war und der Abbiegende sich nicht nur rechtzeitig links eingeordnet, sondern auch über eine hinreichend lange Strecke geblinkt hatte und nicht widerlegbar ist, dass er seiner zweimaligen Rückschaupflicht nachgekommen ist (OLG Frankfurt, 22 U 225/13).
Insgesamt bleibt festzuhalten: Wer nach links abbiegen will, muss sich rechtzeitig äußerst links einordnen und blinken. Er muss sich vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen vergewissern, dass weder entgegenkommende noch ihn überholende Fahrzeuge gefährdet werden. Nur in Ausnahmesituationen kann eine andere Haftungsverteilung angenommen werden.