Grundsätzlich kann der vorfahrtsberechtigte Fahrer auf seine Vorfahrt vertrauen. Dies gilt insbesondere, wenn es in unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Einfahrt aus einer anderen Straße auf die Vorfahrtstraße zu einer Kollision kommt. In diesem Fall spricht der Beweis des ersten Anscheins für ein alleiniges Verschulden des einfahrenden Verkehrsteilnehmers, so dass regelmäßig die Betriebsgefahr des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs zurücktritt. Dies gilt jedoch nicht, wenn der vorfahrtsberechtigte Fahrer erkennen muss, dass ein Fahrzeug in die Kreuzung einfährt, die Fahrbahn aber nicht vollständig überqueren kann. Steht deshalb ein Teil des Fahrzeugs in der Fahrbahn des vorfahrtsberechtigten Fahrzeugs und könnte der Vorfahrtsberechtigte mit einer relativ geringfügigen Ausweichbewegung oder einer Bremsung einen Unfall vermeiden, trifft ihn auch ein eigenes Verschulden, da es schlicht nicht reagiert hat, obwohl es ihm ohne weiteres möglich gewesen wäre.
In diesem Fall kommt eine hälftige Haftungsverteilung in Betracht.
OLG Celle, 14 U 50/17