Kein Widerstandsrecht nach Art. 20 IV GG

In der Diskussion der letzten Tage wird bei Aufforderungen zu Demonstrationen, die derzeit rechtswidrig sind, sowie allgemein auf das sogenannte Widerstandsrecht aus Art. 20 IV GG verwiesen. Hiernach haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Vergessen wird häufig, dass es hier noch eine weitere Voraussetzung in diesem Satz gibt. Der Satz geht nämlich weiter: „wenn andere Abhilfe nicht möglich ist“.

Dieser letzte Teilsatz ist wichtig, es besteht eine absolute Subsidiarität. Bevor der Einzelne sich widersetzt, muss er alle Schritte ausprobiert haben, um anderweitig Abhilfe herbeizuführen. Von größter Bedeutung ist also, dass ein Widerstandsrecht nicht gegeben ist, wenn noch irgendeine andere Maßnahme Aussicht auf Erfolg verspricht. Hierzu gehört es unter anderem, sämtliche gerichtlichen Schritte einzuleiten, bis hin zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde. Und dies ist derzeit problemlos möglich, der Zugang zum Recht ist gewährleistet. Die Gerichte entscheiden frei und unabhängig.

Das Grundgesetz hat dieses Widerstandsrecht ausdrücklich als Ultima Ratio ausformuliert. Auch sind die Voraussetzungen extrem. Schutzobjekt sind die in Art. 20 GG verankerten Verfassungsprinzipien. Nicht umfasst sind aufgrund eines Gesetzes in verfassungsrechtlich zulässiger Weise vorgegebene Grundrechtsbeeinträchtigungen und -einschränkungen.

Bezüglich der derzeit vorliegenden Beschränkungen, die durch Landesverordnungen aufgestellt worden sind, wird insgesamt auf §§ 28, 32 IfSG verwiesen, sodass davon auszugehen ist, dass eine gesetzliche Legitimation der Grundrechtsbeeinträchtigungen vorliegt. Ob die entsprechenden Regelungen zulässig sind, ist dann gerichtlich zu klären.

In der derzeitigen Diskussion geht es um die Beeinträchtigung von Freiheitsrechten, aber auch der Demonstrationsfreiheit (Art. 8 GG). Die temporäre Beeinträchtigung eines einzelnen Grundrechts wird aber noch nicht die Voraussetzungen des Art. 20 IV GG erfüllen, da hierdurch nicht der Bestand der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Verfassung gefährdet ist.

Zur Zeit sind also entsprechende Klagen und Anträge auf einstweilige Anordnungen bei den zuständigen Verwaltungsgerichten einzulegen, auch im Rahmen so genannter prinzipaler Normenkontrollverfahren (hier werden die entsprechenden Verordnungen unmittelbar überprüft). Ist eine derartige Klageart aufgrund landesrechtlicher Gesetze nicht möglich, kann Rechtsschutz über eine negative Feststellungsklage erreicht werden. Erst wenn diese Verfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sind oder aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit der Abschluss dieser Verfahren nicht abgewartet werden kann, ist die Anrufung des Bundesverfassungsgerichtes möglich (§ 90 II BVerfGG).

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die irrige Annahme des Widerstandsrechts nach Art. 20 IV GG nicht dazu führt, dass strafrechtlich auf Irrtumsregeln abgestellt werden kann. Es verbleibt dann also bei der Strafbarkeit der jeweiligen Handlung.

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