Nach § 13 I 4c ErbStG bleibt eine vom Erblasser bis zu seinem Tode selbst genutzte Wohnung (oder er ist aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung gehindert) bis zu 200 m² erbschaftsteuerfrei, wenn der Erbe die Wohnung unverzüglich zur Selbstnutzung übernimmt und einzieht. Er muss dann allerdings 10 Jahre in dieser Wohnung verbleiben, ansonsten fällt die Befreiung nachträglich weg.
Hiervon ausgenommen sind Fälle, wenn der Erbe aus zwingenden Gründen an der Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert ist.
Allein bauliche Mängel reichen hierfür nicht aus. Die Nichtbeseitigung der Mängel unterliegt Wirtschaftlichkeits – und somit Zweckmäßigkeitserwägungen, denn der bauliche Zustand kann grundsätzlich veränderten Lebensumständen angepasst werden.
Ausreichend können aber gesundheitliche Beeinträchtigungen sein, wenn sie dem Erben eine selbständige Haushaltsführung in dem Familienheim unmöglich machen. Es bedarf jedoch einer gewissen Erheblichkeit, allein eine nachvollziehbare und verständige Entscheidung zur Aufgabe der Selbstnutzung ist nicht ausreichend. Im hier entschiedenen Fall lagen bei der Erbin erhebliche gesundheitliche Probleme vor (Bandscheibenvorfälle, ein Hüftleiden, dass wegen einer Angststörung nicht operabel ist), so dass sie sich im Haus kaum noch alleine bewegen konnte. Die regelmäßige Inanspruchnahme üblicher Unterstützungsleistungen (beispielsweise durch Pflegedienste) hätte nicht ausgereicht, die Erben konnte das Haus aber auch alleine praktisch nicht mehr verlassen.
Dies war ausreichend, der Erbin war aus zwingenden Gründen die Selbstnutzung unmöglich geworden. Insoweit geht es um subjektive Gründe, die objektiv die jeweilige Person an der Selbstnutzung genau dieser Wohnung hindern. Ansonsten wäre der Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift praktisch auf den Tod des Erben begrenzt. Es ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn dem Erben aus objektiven Gründen die Selbstnutzung genau dieser Wohnung nicht mehr zuzumuten ist. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen, um eine verfassungswidrige Begünstigung zu vermeiden. Ein abgeschlossener Katalog von Gründen besteht jedoch nicht, es muss im Einzelfall entschieden werden.
Dass der Erbin eine eigenständige Haushaltsführung in einer Erdgeschoßwohnung woanders möglich war, war unerheblich.
Ist ein solcher Ausnahmefall gegeben, kommt es auch nicht mehr darauf an, ob die Immobilie abgerissen oder verkauft wird (BFHE 265, 437).
BFH, II R 18/20