Brauche ich sofort einen Anwalt? Diese Frage kommt immer wieder auf, gerade hat mir ein neuer Mandant erzählt, ihm sei geraten worden, zunächst einmal abzuwarten, bis die Entscheidung der Behörde oder des Gerichts vorliegt.
Dieser Rat ist grundsätzlich verkehrt. Gerade zu Beginn eines Ermittlungsverfahrens werden die Weichen gestellt. So kann man zum Beispiel gegen die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis Beschwerde einlegen, hierdurch bekommt man sofort Akteneinsicht und weiß, welche Erkenntnisse die Ermittlungsbehörde bisher gewonnen hat. Insbesondere kann man aber auch verhindern, dass man sich selbst durch Äußerungen belastet. Und hierzu neigen Betroffene eines solchen Verfahrens, sie versuchen ein Handeln zu rechtfertigen und erzählen hierbei manchmal mehr, als notwendig und insbesondere gut ist.
Vor kurzem habe ich darüber berichtet, dass die Rechtsprechung mittlerweile dahin tendiert, nach einer Alkoholfahrt von mindestens 1,1 Promille vor Wiedererteilung der Fahrerlaubnis eine MPU anzuordnen. Dieses scheint auch die Empfehlung des Verkehrsgerichtstages in Goslar zu sein. Allerdings hat der bayerische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass auch bei einer Fahrt unter Alkohol mit relativer Fahruntauglichkeit (ist ab 0,3 Promille möglich) vor Wiedererteilung eine MPU angeordnet werden kann, sofern eine strafrechtliche Verurteilung erfolgt. Und diese kann gemäß § 315c StGB drohen, wenn Menschen oder fremde Sachen aufgrund eines alkoholbedingten Fahrfehlers gefährdet werden.
Ein erfahrener Anwalt wird aber auch darauf hinwirken, dass durch entsprechende Maßnahmen möglicherweise die Folgen einer entsprechenden Verurteilung abgemildert werden. So hat das Amtsgericht Tiergarten im Januar 2016 entschieden (343 OWi 3022-JsOWi 113673/15), dass ein Fahrer, der unter Drogeneinfluss stand, eine Verringerung der Geldbuße um 200 € erhalten kann, wenn er freiwillig auf seine Fahrerlaubnis verzichtet und für die Wiedererteilung eine Verkehrstherapie besucht. Im entschiedenen Fall wurde auch auf den Ausspruch eines weitergehenden Fahrverbotes verzichtet, da der Betroffene bereits vorher freiwillig auf seine Fahrerlaubnis verzichtet hatte.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen (1311 Js 41173/14) hat im Juli 2015 entschieden, dass auch nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss von der Entziehung der Fahrerlaubnis abgesehen werden kann, da der Angeklagte unmittelbar nach der Tat einen verkehrspsychologischen Kurs (sehr umfangreich: 44 Therapiestunden in einer Intensivgruppe und 48 Therapiestunden bei Wochenendseminaren) besucht hatte. Das Amtsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass der Betroffene sich im Rahmen der Therapie eingehend mit dem Alkoholproblem, dessen Ursachen sowie den daraus resultierenden Problemen befasst und mittlerweile Problembewältigungsstrategien erlernt hatte. Auch konnte die derzeitige Alkoholabstinenz durch ein entsprechendes Alkoholscreening nachgewiesen werden. Es wurde lediglich ein dreimonatiges Fahrverbot ausgesprochen.
Natürlich sind dies nur Beispiele und können nicht verallgemeinert werden. Allerdings zeigt sich hierin deutlich, dass bei Beratung durch einen erfahrenen Anwalt die Weichen auch im Sinne des Betroffenen gestellt werden können. Wichtig ist hierbei allerdings, dass man die entsprechenden Schritte derartig einleitet, dass sie auch verwertbar sind. Das Alkoholscreening zum Beispiel ist nur nützlich, wenn es bei einem entsprechend zertifizierten Labor durchgeführt wird. Hierzu gehört auch, dass die Termine nicht vom Betroffenen bestimmt werden, sondern der Betroffene sich einem entsprechenden Einladungsprogramm unterziehen muss, d.h. dass er nicht weiß, wann der nächste Termin stattfindet. Nur so kann gewährleistet werden, dass die erforderliche Alkoholabstinenz als nachgewiesen gilt.
Ich konnte in verschiedenen Verfahren nachweisen, dass die Rückrechnungsmethoden fehlerhaft waren bzw. dass ein so genannter “Nachtrunk“ vorgelegen haben muss, so dass der vorgeworfene BAK-Wert deutlich geringer ausfiel. Einem Mandanten wurde eine Trunkenheitsfahrt anhand von Indizien vorgeworfen, er ist nicht während der Fahrt erwischt, sondern aufgrund von Zeugenaussagen von der Polizei zu Hause aufgesucht worden. Auch hier gelang der Nachweis, dass er nach der Fahrt Alkohol zu sich genommen hatte, so dass letztendlich für eine Fahrt unter Alkoholeinfluss kein Raum mehr blieb.
All dies sind natürlich nur Beispiele und sollen selbstverständlich nicht dazu auffordern, unter Alkohol oder Drogeneinfluss Auto zu fahren. Der beste und wohl wichtigste Rat eines jeden Anwalts hierzu lautet: Bei Alkohol oder Drogen Hände weg vom Steuer!
Ich rate in derartigen Fällen dringend dazu, sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten und eine Strategie auszuarbeiten. Der Anwalt wird zunächst Akteneinsicht nehmen und überprüfen, welche Erkenntnisse bisher bei der Behörde vorliegen und auf welche Schritte zu achten ist. Natürlich können Sie auch selbst probieren, hier tätig zu werden. Es muss jedoch dringend davor gewarnt werden, ohne entsprechende Kenntnisse einen derartigen Versuch zu starten. Es lauern einfach zu viele Fallstricke.
Anders ausgedrückt: Sie können auch Lotto spielen, um dann später einen Chauffeur bezahlen zu können.