ESO 3.0 – die Front bröckelt

In der obergerichtlichen Rechtsprechung ist dieses Messgerät weiterhin als sogenanntes standardisiertes Messverfahren anerkannt. Der Hersteller gibt weder die Rohmessdaten der Messungen heraus noch erteilt er Informationen darüber, wie letztendlich die Messwerte gebildet werden. Seit Einsatz der Softwareversion 1.007 ist es Sachverständigen nicht mehr möglich, die Rohmessdaten der jeweiligen Messung auszulesen und einer Überprüfung zu unterziehen, da diese vom Gerät verschlüsselt werden. Aufgrund der Einordnung als sogenanntes standardisiertes Messverfahren fällt es Betroffenen daher schwer, Zweifel an der Korrektheit der Messung zu erwecken.

Es mehren sich jedoch erstinstanzliche Entscheidungen, die diese Verweigerungshaltung des Herstellers nicht mehr tolerieren:

AG Braunschweig, 4 OWi 915 Js 10610/14: Verfahrenseinstellung, weil informationstechnologische Bedenken gegen Authentizität und Integrität der Daten vom Sachverständigen geäußert wurden und mangels Herausgabe der Rohmessdaten eine nachträgliche Überprüfung / Richtigkeitskontrolle der Messergebnisse unmöglich ist.

AG Meißen, 13 OWi 703 Js 21114/14: Generelle Bedenken gegen das Messverfahren (sehr ausführlich).

AG Bad Kissingen, 3 OWi 16 Js 3704/14: Freispruch, da der Hersteller die Rohmessdaten nicht herausgibt und Zweifel am Onlineprogramm esodata.esodigitale.de gegeben sind.

AG Hildesheim, 112 OWi 35 Js 26360/15: Verfahrenseinstellung, weil der Hersteller die Messdaten nicht herausgibt.

AG Landstuhl, 2 OWi 4286 Js 2298/15: Verpflichtung des Herstellers zur Herausgabe des herstellerseits eingefügten Codes zur Entschlüsselung der Messserie.

AG Weißenfels, 10 AR 1/15: Verpflichtung der Behörde, die sogenannten Rohmessdaten in unverschlüsselter Form an den Betroffenen herauszugeben.

Dies sind sicherlich nur einige Entscheidungen erstinstanzlicher Gerichte, die aber bei der Begründung entsprechender Anträge helfen können. Ich bin mal gespannt, wann auch das erste Oberlandesgericht sich dieser Auffassung anschließt und nicht mehr bereit ist, die Geheimniskrämerei der Messgerätehersteller zu unterstützen. Denn in der Tat stellt es einen Zirkelschluss dar, wenn bei einem standardisierten Messverfahren detailliert und substantiiert Zweifel an der ordnungsgemäßen Messwertgewinnung vorgetragen werden müssen, dies aber aufgrund mangelnder Kenntnis des Messgerätes und der Rohmessdaten nicht möglich ist. In diesem Fall lassen sich nur Indizien für diese Behauptung finden, beispielsweise die Fotoposition oder der auf dem Messfoto eingeblendete Abstandswert (der allerdings ungeeicht ermittelt wird und insoweit auch nur bei einem Vergleich der gesamten Messserie für eine Plausibilitätsprüfung in Betracht kommt). Letztendlich wird auch die Einlassung des Betroffenen, er sei nicht so schnell gefahren, von Gerichten häufig als reine Schutzbehauptung abgetan und bleibt unbeachtet. Somit bleibt dem Verteidiger nur die Möglichkeit, die gesamte Messreihe zu prüfen und hierbei möglicherweise Ungereimtheiten aufzudecken.

Aber wir kämpfen weiter, um irgendwann das Messgerät durch einen unabhängigen, gerichtlich bestellten Sachverständigen vollständig überprüfen lassen zu können.

 

 

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