Die Klägerin macht Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend. Sie ist auf das vor ihr fahrende Fahrzeug auf einer Autobahn aufgefahren und behauptet hierzu, dieser habe vor ihr den Fahrstreifen gewechselt und dann stark abgebremst. Der Vorausfahrende verteidigte sich mit der Behauptung, schon länger auf diesem Fahrstreifen gefahren zu sein, und nimmt eine Unachtsamkeit der Klägerin an. Ein Sachverständiger stellte fest, dass beide Versionen gleich plausibel wären. Allerdings hat die auffahrende Klägerin unmittelbar vor dem Unfall eine scharfe Bremsung durchgeführt (was normal ist), das Fahrzeug des vorausfahrenden Beklagten hätte lediglich leicht gebremst. Das Gericht nimmt einen Anscheinsbeweis zulasten der auffahrenden Klägerin an. Dies gilt grundsätzlich bei Auffahrunfällen. Hieran würde sich nur etwas ändern, wenn unstreitig verstehen würde, dass der Vorausfahrende Fahrzeugführer unmittelbar vor dem Unfallereignis einen Fahrstreifenwechsel vorgenommen hat. Dies konnte in diesem Fall aber nicht nachgewiesen werden. Auch ein leichtes Abbremsen des Vordermannes verhindert nicht die Annahme des Anscheinsbeweises, der für ein Verschulden des auffahrenden Fahrzeugführers spricht. Hierin liegt auch kein Verstoß gegen § 4 I S.2 StVO (wer vorausfährt, darf nicht ohne zwingenden Grund stark bremsen) begründet.
OLG Hamm, 17 U 31/18