Unfallflucht als versicherungsrechtliche Obliegenheitsverletzung

Die Klägerin war mit ihrem eigenen Fahrzeug in einer Kurve von der Fahrbahn abgekommen und mit einer Warnbake im Kurvenbereich kollidiert. Am Fahrzeug der Klägerin entstand ein Schaden von über 10.000 €, die Bake wurde nicht nur verdreht, sondern in erheblichem Umfang verbogen und beschädigt. Eine konkrete Schadensersatzforderung durch den zuständigen Straßenbaulastträger wurde gegen die Klägerin aber nicht gestellt, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Unfallflucht vor diesem Hintergrund eingestellt.

Die Kaskoversicherung der Klägerin erhebt den Einwand der Leistungsfreiheit wegen einer Obliegenheitsverletzung (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort). Die Klägerin meint, sie habe vor Ort einen Fremdschaden nicht wahrgenommen und die Versicherung hätte alle notwendigen Feststellungen treffen können. Das OLG Düsseldorf bejaht die Leistungsfreiheit der Versicherung.

Eine Wartepflicht besteht aufgrund des Schutzzwecks von § 142 StGB (Unfallflucht) von vornherein nur dann nicht, wenn lediglich ein völlig belangloser Schaden vorliegt. Dies ist der Fall, wenn Schadensersatzansprüche üblicherweise nicht gestellt werden. Maßgebend ist der objektive Verkehrswert nach dem Eindruck zur Tatzeit unter Berücksichtigung gewöhnlicher Reparaturkosten. Die Grenze der Belanglosigkeit liegt insoweit zwischen 20 und 50 €. Diese Grenze wurde hier überschritten. Das Schild war trotz des Versuchs, es wieder gerade zu biegen, noch immer verbogen. Auch die Fläche des Warnschildes wurde durch den Unfall in ihrer Substanz beschädigt, es gab deutlich sichtbare Streifen (offenbar vom Kfz). Auch wenn der Straßenbaulastträger keine Schadensersatzansprüche geltend macht, ändert dies nichts an dieser Einschätzung. Auch die Einstellung des Strafverfahrens steht dieser Auffassung nicht entgegen.

Im entschiedenen Fall hätte gegebenenfalls eine geringe Wartezeit der Klägerin ausgereicht, die Klägerin ist allerdings nach ihrem eigenen Vortrag sofort weggefahren. Insoweit liegt eine Obliegenheitsverletzung vor, der Klägerin kann auch der Kausalitätsgegenbeweis nach § 28 III S.1 VVG nicht gelingen. Nach dieser Vorschrift ist der Versicherer trotz Obliegenheitsverletzung zur Leistung verpflichtet, wenn die Verletzung weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht ursächlich ist. Indem die Klägerin einfach weiterfuhr, hat sie nicht nur Feststellungen zu ihrer Fahrtauglichkeit verhindert, es kann noch nicht einmal mehr der Nachweis dafür erbracht werden, dass sie tatsächlich die entscheidende Fahrzeugführerin gewesen ist.

OLG Düsseldorf, I 4 U 41/18

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