Bei einer fahrlässigen Tötung nach § 222 StGB kommt es u.a. auf die Vorhersehbarkeit des Geschehensablaufs an. Das Verhalten des Geschädigten schloss im hier entschiedenen Fall die Vorhersehbarkeit nicht aus. Der Geschädigte ist offenbar schwer alkoholisiert gestürzt und auf der Fahrbahn liegen geblieben. Er war zum Unfallzeitpunkt vergleichweise dunkel gekleidet. Für den wegen einer fahrlässigen Tötung verurteilten Angeklagten war er aus einer Entfernung von 27 m ausreichend erkennbar, hätte dieser die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachtet und den Straßenbereich aufmerksam beobachtet, so hätte er unter Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit noch bremsen können.
Das Mitverschulden kann die Vorhersehbarkeit nur dann ausschließen, sofern es in einem gänzlich vernunftswidrigen oder außerhalb der Lebenserfahrung liegendem Verhalten des Geschädigten liegt. Es ist nicht außerhalb allgemeiner Lebenserfahrung, dass nachts ein Fußgänger stark alkoholisiert stürzt und auf der Fahrbahn liegen bleibt. Man mag ein solches Verhalten als gänzlich vernunftswidrig bezeichnen, es ist aber auf den Zeitpunkt des Eintritts der kritischen Verkehrssituation abzustellen. Insoweit bleibt der zurückliegende übermäßige Alkoholkonsum des gestürzten Fußgängers außer Betracht, auch dessen ungewollter Sturz. Als das Auto auf ihn zufuhr, war er offenbar zu vernunftsgesteuertem Verhalten nicht mehr in der Lage. Er lag als hilflose Person auf der Fahrbahn. Es gibt keine Einschränkung der Sichtfahrgebotes im Hinblick darauf, aus welchem Grund eine Person in eine solche Lage geraten ist.
Die Revision blieb erfolglos, der Angeklagte ist zu Recht wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden.
OLG Hamm, 4 RVs 65/19