Grundsätzlich soll auch bei einer außerordentlichen Entziehung der Fahrerlaubnis keine Umgehung des Fahreignungs-Bewertungssystems mit seinem abgestuften Angebot an Hilfeleistungen (Ermahnung, Verwarnung, Entziehung) vorgenommen werden. Daher richtet sich die Entziehung der Fahrerlaubnis (auch wenn dies vor einigen Jahren bereits schon einmal geschehen ist) grundsätzlich nach dem Maßnahmenkatalog aus § 4 StVG.
In äußerst engen Grenzen kann im Ausnahmefall hiervon abgewichen werden, wenn sich die Notwendigkeit vorgezogener oder anderer Maßnahmen wie beispielsweise auch der Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 StVG ergibt. Hierzu muss sich aber jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen haben, einzig einige (wenn auch nicht ganz unerhebliche) Ordnungswidrigkeiten dürften hierzu nicht ausreichen.
Ein solcher Ausnahmefall kann vorliegen, wenn beispielsweise eine sehr große Anzahl von Parkverstößen vorliegt und sich hieraus der Rückschluss ergibt, der Fahrerlaubnisinhaber erkennt die Rechtsordnung nicht an (VG Cottbus, 1 L 330/14: hier waren es 57 Parkverstöße in 19 Monaten). In eng begrenzten, besonders gelagerten Ausnahmefällen kann sich die Ungeeignetheit auch aus Verkehrsverstößen ergeben, die auf eine besondere Rücksichtslosigkeit oder Aggressivität des Fahrers schließen lassen.
Im hier entschiedenen Fall kam es wohl zu einigen Ordnungswidrigkeiten (ohne weitere Auffälligkeit) die allerdings noch nicht zu 8 Punkten führten. Insoweit war die Forderung der Behörde nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens unrechtmäßig. Nachdem das Gutachten nicht beigebracht worden war, hatte die Behörde die Fahrerlaubnis entzogen.
Diese war an den Antragsteller herauszugeben.
VG Cottbus, 1 L 496/19