Auch wenn gewichtige Gründe dafür sprechen, dass bei einem Steuerstrafverfahren grundsätzlich die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage (die für die Bestellung eines Pflichtverteidigers erforderlich ist, sofern keine erhebliche Straferwartung oder andere Bestellungsgründe gegeben sind) gegeben ist, war dies in der vorliegenden Entscheidung nicht grundsätzlich zu entscheiden. Es handelt sich aber um sogenanntes Blankettstrafrecht, bei dem die Rechtslage nur in einer Zusammenschau strafrechtlicher und steuerlicher Normen zutreffend erfasst und bewertet werden kann. Verfügt der Angeklagte nicht über ein entsprechendes Spezialwissen, ist er regelmäßig mit der Rechtsmaterie überfordert. Eine laienhafte oder intuitive Einschätzung genügt nicht (vgl. LG Essen, 56 Qs 1/15).
Im vorliegenden Fall trat hinzu, dass der vorgeworfene Tatzeitraum mehr als 4 Jahre betrug und 10 Einzeltaten umfasste. Auch wurde bei der GmbH, deren Geschäftsführer betroffen war, eine Einziehung verfügt. Die entsprechende Berechnung der Steuerschuld und somit des Einziehungsbetrages setzt vertiefte Kenntnisse des Steuerrechts voraus. Auch bedarf es zur Vorbereitung der Hauptverhandlung einer Akteneinsicht, die nach § 147 StPO nur einem Verteidiger zusteht. Die Berechnungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen sind zu überprüfen. Es ist zu erwarten, dass bei der Hauptverhandlung Geschäftsunterlagen, Steuererklärungen und die fraglichen Rechnungen von Drittunternehmen eingeführt werden, was zusätzlich dazu führt, eine schwierige Sach- und Rechtslage anzunehmen.
Es erfolgte die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.
LG Braunschweig, 11 Qs 182/20