Fährt ein Fahrzeug langsam auf einem Grundstück Richtung Ausfahrt und wird an der Grenze zur Straße zum Halten gebracht (im entschiedenen Fall mindestens einen halben Meter vor der Haltelinie) und auf der Straße fährt ein Motorradfahrer, der in Erwartung einer Ausfahrt aus dem Grundstück ausweicht und hierbei zu Fall kommt, besteht keine Haftung des auf dem Grundstück fahrenden Fahrzeugs.
Der Motorradfahrer hatte vorgetragen, das Fahrzeug auf dem Grundstück habe beschleunigt und keine Anstalten zum Anhalten gemacht. Dieser Vortrag wurde in der Beweisaufnahme aber nicht bestätigt, der Motorradfahrer ist insofern beweispflichtig geblieben.
Das OLG stellt klar, dass auch bei berührungslosen Unfällen maßgeblicher Zeitpunkt für die Ursächlichkeit und den Zurechnungszusammenhang der Eintritt der konkreten kritischen Verkehrslage ist, der unmittelbar zum Schaden führt. Eine kritische Verkehrslage hätte für den Motorradfahrer in diesem Fall dann begonnen, wenn die erkennbare Verkehrssituation konkrete Anhaltspunkte dafür bieten würde, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen könnte. Dies war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber nicht der Fall, da das Fahrzeug auf dem Grundstück langsam fuhr, nicht beschleunigte und auch vor der Haltelinie zum Stillstand gebracht wurde.
OLG München, 10 U 4051/16