Zwei Autos standen hintereinander an einer roten Ampel. Als die Ampel auf Grün schaltete, fuhren beide Wagen an. Plötzlich bremste der Vordermann jedoch unmittelbar nach dem Anfahren, da vor ihm eine Taube die Straße überquerte, die er nicht überfahren wollte. Es kam zum Auffahrunfall.
In dem Verfahren ging es um die Haftungsverteilung und die Anwendung der Regeln über den Anscheinsbeweis. Grundsätzlich spricht der Anscheinsbeweis beim Auffahrunfall dafür, dass das auffahrende Fahrzeug entweder zu schnell oder zu dicht aufgefahren ist. Infrage kommt auch eine Unaufmerksamkeit. Dieser Anscheinsbeweis kann aber erschüttert bzw. ausgeräumt werden, wenn ein anderer Geschehensablauf dargelegt und bewiesen wird. Insoweit gibt es verschiedene Urteile zu der Frage, ob ein starkes Abbremsen auch für Kleintiere zulässig ist. Hier wurde entschieden, dass das Bremsen für eine Taube nicht ohne zwingenden Grund geschah und keinen Verstoß gegen die Pflicht darstellt, nicht ohne zwingenden Grund zu bremsen. Das Gericht hat dann abgewogen, dass die Gefahr von Sachschäden an beiden Fahrzeugen keinen Vorrang vor dem Tierwohl habe. Im entschiedenen Fall war die Geschwindigkeit gering, es waren daher keine Personenschäden zu erwarten. Insoweit hat das Gericht auch darauf rekurriert, dass das Töten eines Wirbeltieres grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit darstellt und dies dem vorausfahrenden Fahrer nicht zuzumuten ist, insbesondere unter Beachtung, dass der Tierschutz in Art. 20a GG als Staatszielbestimmung ins Grundgesetz aufgenommen wurde.
Der Hinweis auf ein älteres, entgegenstehendes Urteil des OLG Hamm war insoweit unbeachtlich. Einerseits war zum Zeitpunkt dieses Urteils Tierschutz noch nicht als Staatszielbestimmung im Grundgesetz aufgenommen, andererseits fand dort der Unfall aufgrund des plötzlichen Abbremsens im fließenden Verkehr mit deutlich höherer Geschwindigkeit statt, sodass das Gefahrenpotenzial deutlich höher lag.
Insgesamt kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Auffahrende vollständig alleine haftet.
AG Dortmund, 425 C 2383/18