Hier hatte der Verteidiger vor der Haupthandlung beantragt, weitere Informationen (Messdaten im Originalformat) zu erhalten. Diese Daten erhielt der Verteidiger erst einen Tag vor der Hauptverhandlung. Er beantragte daher Verlegung, um eine Analyse vornehmen zu können. Der Termin wurde nicht verlegt, es erschien weder der Betroffene noch der Verteidiger. Der Einspruch wurde nach § 74 II OWiG verworfen.
Dieses Urteil wurde aufgehoben. Da die Messdatei im Originalformat erst am Tag vor der Hauptverhandlung der Verteidigung zur Verfügung gestellt wurde, hat das Gericht mit der Ablehnung des entsprechenden Terminverlegungsantrags seine Fürsorgepflicht verletzt. Der Verteidigung ist Einsicht in die dem Gericht vorliegenden Akten zu gewähren, hierunter fallen auch die Bestandteile, die das Gericht beigezogen hat. (Natürlich kann die Verteidigung auch Einsicht in Unterlagen nehmen, die sich nicht bei der Akte befinden. Ansonsten kann möglicherweise nicht beurteilt werden, ob Beweisanträge gestellt oder Beweismittel vorgelegt werden sollen.)
Zwar begründet der Umstand, dass ein Terminverlegungsantrag gestellt wird, nicht für sich genommen einen ausreichenden Entschuldigungsgrund für das Fernbleiben des Betroffenen. Dem ist aber die Teilnahme am Hauptverhandlungstermin regelmäßig dann unzumutbar, wenn der mit Begründung gestellte Verlegungsantrag rechtsfehlerhaft abgelehnt worden ist.
Es wird dann noch darauf hingewiesen, dass dem umfassenden Akteneinsichtsrecht des Verteidigers nicht entgegensteht, dass bisher keine schriftliche Vollmacht zur Akte gereicht wurde. Wenn das Gericht an der entsprechenden Bevollmächtigung Zweifel gehabt hätte, hätte es unverzüglich hierauf hinweisen müssen.
KG Berlin, 3 Ws (B)282/19