Der Betroffene erschien unentschuldigt nicht zur Hauptverhandlung, sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid wurde nach § 74 II OWiG verworfen. Hiergegen beantragte er fristgerecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und beantragte darüber hinaus die Anfechtung des Urteils. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Wiedereinsetzung zurück und informierte den Betroffenen telefonisch über die Formvorschriften bei Einlegung einer Rechtsbeschwerde. Dies geschah, da bei Zustellung des Urteils lediglich eine Belehrung über die Möglichkeiten der Wiedereinsetzung, nicht aber über die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgte. Sodann beantragte der Betroffene die Beiordnung eines Verteidigers, ohne hierüber zu entscheiden verwarf das Amtsgericht den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil die Beschwerdeanträge nicht formgerecht eingereicht worden wurden (nicht durch einen Anwalt). Gegen diese Entscheidung beantragte der Betroffene eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Dieser Antrag war zulässig und hatte auch Erfolg.
Das Amtsgericht war durch den Grundsatz der fairen Verfahrensführung daran gehindert, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zu verwerfen, ohne vorher über den Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers zu entscheiden. Der Betroffene durfte insoweit darauf vertrauen, dass über das von ihm eingelegte Rechtsmittel nicht vor einer Entscheidung über den Antrag auf Bestellung eines Verteidigers entschieden wird. Insoweit kann ein Betroffener darauf vertrauen, dass über einen Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers so rechtzeitig entschieden wird, dass er noch innerhalb der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist selbst einen Verteidiger beauftragen oder die Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle erklären kann.
Etwas anderes würde lediglich gelten, wenn der Betroffene bereits mit einem vorherigen Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers gescheitert wäre.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass dem Betroffenen auf seinen Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gewährt werden kann. Hierzu muss er binnen eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Amtsgerichts über die Bestellung eines Verteidigers die unterbliebene Handlung nachholen, d.h. Anträge stellen und eine Begründung in einer von einem Rechtsanwalt gefertigten Schrift wird zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts anbringen.
KG Berlin, 3 Ws (B) 233/18
Sicherlich eine relativ seltene Fallgestaltung. Positiv ist allerdings, dass das KG Berlin feststellt, dass der Grundsatz der fairen Verfahrensführung auch dazu führt, dass dem Betroffenen entsprechende Chancen zur Wahrnehmung seiner Rechtsposition zu gewähren sind.