Es kommt immer wieder zu Unfällen, wenn ein Fahrzeug nach links abbiegen will und dabei von einem anderen Fahrzeug überholt wird. Hier befuhr das vordere Fahrzeug eine Landstraße und wollte offenbar wenden und hierzu nach links in eine Hofeinfahrt einfahren. Hierzu verringerte es die Geschwindigkeit deutlich, sogar auf 30-40 km/h. Der Fahrer blickte zwar einmal nach hinten und hat offenbar unmittelbar vor dem Abbiegen noch geblinkt, es mangelte allerdings an der 2. Rückschau und einem deutlichen Einordnen zur Mitte der Fahrbahn. Während er abbog, wollte ein Autofahrer mit Anhänger überholen, es kam zur Kollision.
Der abbiegende Fahrer haftet zu 100 %, da er die ihn treffenden Sorgfaltspflichten nicht eingehalten hat. Der überholte Fahrer haftet gar nicht, er durfte auch versuchen zu überholen, es lag keine unklare Verkehrslage vor, die bei ihm eine Haftung begründen könnte. Seine nicht erhöhte Betriebsgefahr trat vollständig hinter das verkehrswidrige Verhalten des abbiegenden Fahrers zurück.
Bei der Beurteilung, ob eine unklare Verkehrslage vorliegt, kommt es allein auf die objektiven Umstände an. Es muss sich dem überholenden Fahrer aufdrängen bzw. nicht mehr sicher beurteilen lassen, was der vorausfahrende sogleich tun wird. Wenn rechtzeitig geblinkt worden wäre und dies der Fahrer des zweiten PKW erkannt hätte, wäre ein solcher Fall gegeben gewesen. Allerdings muss dem nachfolgenden Fahrer auch noch eine angemessene Reaktionszeit (ohne Gefahrbremsung) gegeben sein.
Die durch den Anhänger grundsätzlich erhöhte Betriebsgefahr hat sich offenbar nicht unfallursächlich ausgewirkt.
OLG Hamm, 7 U 33/20