Keine Zustellungsvollmacht aus einem anderen Verfahren

Wenn der Mandant seinem Anwalt oder einer anderen Person eine Zustellungsvollmacht erteilt, wirkt diese nur in dem jeweiligen Verfahren. Hier wurde in einem Strafverfahren eine solche Zustellungsvollmacht erteilt, die Polizei nahm diese Vollmacht dann zu einer neuen Strafakte, in diesem neuen Verfahren wurde ein Strafbefehl an den Zustellungsbevollmächtigten aus dem anderen Verfahren zugestellt. Das geht so nicht, da die Zustellungsvollmacht sich genau auf das erste Verfahren bezog. Die benannte Person war nicht generell als Zustellungsbevollmächtigter ernannt worden.

LG Nürnberg-Fürth, 12 Qs 7/24

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Zustellung an aufgegebener Meldeadresse

Die Betroffene war zwar noch an der alten Adresse bei ihren Eltern gemeldet, Dort wohnte sie aber nicht mehr. Dann wurde an dieser Adresse ein Bußgeldbescheid in den Briefkasten geworfen. Anschließend schickte ihre Mutter ihr die erste Seite des Bußgeldbescheides per SMS. Die Zustellung war nicht wirksam, die Einspruchsfrist begann nicht zu laufen. Diese Frist begann erst mit vollständiger Kenntnis vom Bußgeldbescheid durch die Betroffene. Ein Einlegen in den Briefkasten ist nur möglich, wenn die Betroffene dort noch wohnt. Die Betroffene wohnte zum Zeitpunkt der Zustellung aber am Stützpunkt, sie besuchte ihre Eltern nur noch selten. Somit lag der Lebensmittelpunkt woanders.

Unerheblich war insoweit, dass sie auf die Anhörung reagiert hatte, da sie dort zu einem ihrer seltenen Besuche bei ihren Eltern war. Als Zustelldatum gilt erst die Kenntnis vom vollständigen Bescheid, die Zusendung der ersten Seite per SMS durch die Mutter ist nicht ausreichend, eine vorherige telefonische Information ebenfalls nicht.

AG Ulm, 5 OWi 2260/23

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Polizei bekommt den Weg

Wenn ein Einsatzfahrzeug mit Sonderrechten (Blaulicht und Martinshorn) fährt, muss man ihm Platz machen (§38 StVO). Wer darauf nicht achtet, begeht eine Ordnungswidrigkeit. Wenn man die Signale vorher nicht wahrgenommen hat (u.a. wegen Ablenkung), kann fahrlässige Begehung vorliegen, weil man die Signale wahrnehmen sollte. Man muss schon auf die Signale achten (können).

AG Landstuhl, 3 OWi 4211 Js 9376/23

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Unfall mit einem Rettungswagen

Fährt ein Rettungswagen unter Wahrnehmung von Sonderrechten nach § 35 StVO mit Blaulicht und Martinshorn, darf er gegen Verkehrsregeln verstoßen. Je mehr sich der Fahrer über allgemeine Verkehrsregeln hinwegsetzt, desto größer ist seine Sorgfaltspflicht hierbei.

Auf einer gut einsehbaren Hauptstraße können 75 km/h statt erlaubter 30 km/h gerechtfertigt sein. Hier überholte der Rettungswagen dazu noch auf der Gegenfahrbahn. Es kam zu einem Unfall mit einem Linksabbieger im Kreuzungsbereich, der vor dem Rettungswagen fuhr.

Der Linksabbieger blieb vollständig auf seinem Schaden sitzen, offenbar hatte er den Rettungswagen nicht wahrgenommen. Es liegt also nicht nur ein Verstoß gegen § 38 StVO (freie Bahn machen bei Blaulicht und Martinshorn) vor, offenbar gab es auch einen Verstoß gegen die doppelte Rückschaupflicht beim Linksabbiegen aus § 9 StVO. Gegen diese Verstöße trat sogar die Betriebsgefahr des Rettungswagens zurück.

OLG Schleswig, 7 U 141/23

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Unbewusster Amphetaminkonsum

Dem Antragsteller wurde nach einer Fahrt auf einem E-Scooter die Fahrerlaubnis entzogen, ihm wurde auch untersagt, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge (z.B. Mofa, fahrrad, Elektrokleinstfahrzeuge) zu führen.

Er war mit einer Amphetaminkonzentration von 28 ng/ml sowie THC-COOH von 0,8 ng/ml erwischt worden. Er erklärte dies damit, dass ihm auf einer Party, als es ihm schlecht ging und er gehen wollte (er hatte vorher schon Schmerzen und Medikamente genommen), eine „Laternenmaß“ gegeben worden sei, in der vielleicht die Substanzen enthalten waren.

Das Gericht glaubte ihm nicht. Weder konnte er die Person benennen, die ihm das Getränk gegeben hatte, noch erklärte er kaum vorhandene Ausfallerscheinungen (nur dass er nicht mehr so müde war und es ihm besser ging). Auch andere Zeugen benannte er nicht, auch nicht die anderen Partygäste.

Noch 39 Stunden nach dem Konsum (erst da fand die Fahrt statt) erscheint die Amphetamin-Konzentration nicht erklärbar, schon 25 ng/ml reichen nach den Vorschlägen der Grenzwertkommission für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG. Dann hätte er so viel konsumieren müssen, dass deutliche Ausfallerscheinungen aufgetreten wären, insbesondere da der Antragsteller vorher nie AMphetamin konsumiert haben will, also unerfahren war. Auch baut sich Amphetamin regelmäßig in 24-48 Stunden vollständig ab, die Mehrzahl wissenschaftlicher Quellen geht von 12-30 Stunden aus.

Insgesamt reichte aber schon der Vortrag zum unbewussten Konsum nicht aus, hierbei handelt es sich um einen so seltenen Ausnahmefall, dass hierzu schon genau und detailliert vorgetragen werden muss. Erschwerend kam wohl hinzu, dass er bereits einmal mit Amphetamin als LKW-Fahrer auffällig geworden ist. Ein Wischtest war damals positiv, allerdings konnte im Blut nichts mehr nachgewiesen werden, das damalige Strafverfahren wurde dann nach § 170 II StPO eingestellt. Es liefen noch immer Ermittlungen gegen ihn wegen Verstößen gegen das BtMG, er soll mit Amphetaminen gehandelt haben. Auch dies spräche indiziell gegen einen unbewussten Konsum. Die Fahrerlaubnis blieb entzogen, die Untersagung weiterhin gültig.

BayVGH, 11 CS 23.1387

Achtung: Hier erfolgte die Untersagung für die fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge nach § 11 VII FEV (Nichteignung steht fest), nicht nach § 3 FEV wie in einer anderen Entscheidung des Gerichts (dort wurde keine positive MPU beigebracht). Nach § 3 FEV kann das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge nicht untersagt werden.

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