Untersuchungshaft über 6 Monate

Nach § 121 StPO darf Untersuchungshaft lediglich dann länger als 6 Monate aufrechterhalten werden, wenn die besondere Schwierigkeit oder der besondere Umfang der Ermittlungen oder ein anderer wichtiger Grund die Verurteilung verzögerten und die Fortdauer der Haft rechtfertigen können. Im hier entschiedenen Fall befand sich der Angeschuldigte seit Januar 2019 in Untersuchungshaft. Vorgeworfen wurde ihm die Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringem Umfang (59 kg Heroin). Ein dringender Tatverdacht liegt vor, ebenso besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr.

Das OLG Brandenburg stellt fest, dass allein hieraus kein wichtiger Grund für die Haftfortdauer über 6 Monate hergeleitet werden kann. Ein solcher liegt nur vor bei Verfahrensverzögerungen, die durch geeignete Maßnahmen nicht verhindert werden konnten. Insoweit sind die Strafverfolgungsbehörden und Gerichte verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zu treffen, um die Ermittlungen schnellstmöglich abzuschließen und ein Urteil herbeizuführen. Je länger die Untersuchungshaft andauert, desto strenger werden die entsprechenden Anforderungen. Der Begriff des wichtigen Grundes ist eng auszulegen.

Sachlich nicht gerechtfertigte Verfahrensverzögerungen können die Verlängerung der Untersuchungshaft nicht begründen, soweit sie nicht vom Angeschuldigten zu vertreten sind. Es findet keine Abwägung mit der Schwere der Tat oder den Haftgründen vor.

Im hier entschiedenen Fall waren zeitaufwendige weitere Ermittlungen durchaus veranlasst. Eine erhebliche weitere Verzögerung ergab sich aber auch aus der Terminierung der Hauptverhandlung erst im November 2019, also 10 Monate nach Beginn der Untersuchungshaft. Auch wenn sich zum Entscheidungszeitpunkt im August diese späte Terminierung noch nicht ausgewirkt hatte, ist sie dennoch zu beachten. Erst bevorstehende, aber schon absehbare Verfahrensverzögerungen müssen berücksichtigt werden.

Generelle Überlastungen eines Gerichts und damit einhergehende späte Terminierung der Hauptverhandlung fallen nicht in den Verantwortungsbereich des Beschuldigten, sodass Haftentscheidungen gegebenenfalls aufgehoben werden müssen.

In diesem Fall wurde der Haftbefehl aufgehoben.

OLG Brandenburg, 2 Ws 152/19

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