Unter einem Kreuzungsräumer versteht man ein Fahrzeug, das bei Grün in die Kreuzung einfährt, dort aber im inneren Bereich aufgrund einer Verkehrsstockung stehen bleiben muss. Nachdem die Ampel für diesen Fahrstreifen auf Rot umgesprungen ist, für andere Verkehrsteilnehmer dagegen auf Grün, haben die vorfahrtsberechtigten Fahrzeuge (nachdem sie nunmehr Grün haben) dennoch die Verpflichtung, dem die Kreuzung räumenden Fahrzeug zu ermöglichen, den Kreuzungsbereich zu verlassen. Dies folgt aus dem allgemeinen Rücksichtnahmegebot der §§ 1 II, 11 III StVO. Hiernach muss nämlich derjenige, der Vorrang hat, auf sein Recht verzichten, wenn es die allgemeine Verkehrslage erfordert. Je weiter der Farbwechsel auf Grün zurückliegt, umso mehr darf der bei Grün nunmehr vorfahrtsberechtigte Verkehrsteilnehmer auf eine freie Kreuzung ohne weitere Verkehrsteilnehmer vertrauen. Der Nachzügler darf andererseits nicht blindlings darauf vertrauen, dass ihm die Räumung des Kreuzungsbereiches ermöglicht wird. Es gilt das Gebot der wechselseitigen Rücksichtnahme.
Voraussetzung für die Anwendung dieser Grundsätze ist aber, dass der Unfall durch einen echten Nachzügler, der bei Grün vollständig in die Kreuzung einfuhr und erst dort ins Stocken kam, mitverursacht wurde beim Versuch, die Kreuzung zu verlassen. Im hier entschiedenen Fall bestand zwischen der Ampelanlage und der letzten Möglichkeit, entsprechend abzubiegen, eine Länge von circa 12 m auf der Fahrbahn. Ausgehend von einer durchschnittlichen Fahrzeuglänge von etwa 5 m passten dort nur zwei Fahrzeuge drauf, der Kläger, der als drittes Fahrzeug in der Schlange stand, war also noch nicht einmal bei Grün vollständig in den Kreuzungsbereich eingefahren, er hätte den nachfolgenden Querverkehr in seiner Situation als Nachzügler also nicht erheblich gestört, was aber nach ständiger Rechtsprechung Voraussetzung einer privilegierten Kreuzungsräumung ist.
Insoweit sind die o.g. Grundsätze nicht anzuwenden, der Kläger haftet alleine.
KG Berlin, 22 U 176/17