In einem Strafverfahren beantragte der Verteidiger Akteneinsicht, das Gericht sprach ihm das Recht zur vollständigen Akteneinsicht (inklusive Datenträger der Telekommunikationsüberwachung) zu. Hiergegen legte die Staatsanwaltschaft Beschwerde ein.
Diese Beschwerde war unzulässig, § 147 Abs.IV S.2 StPO. Das Gericht führte aber auch aus, dass die Beschwerde unbegründet sei. Schützenswerte Rechte Dritter (hier Persönlichkeitsrechte aus den Telefonaten) stünden der vollständigen Akteneinsicht nicht entgegen. Bei einem Rechtsanwalt, der unabhängiges Organ der Rechtspflege ist, ist davon auszugehen, dass die Rechte Dritter entsprechend gewahrt werden. Hierzu ist der Rechtsanwalt schon standesrechtlich verpflichtet.
Anders als bei der Akteneinsicht durch den Beschuldigten selbst, dem nur ein Recht auf Einsicht in Aktenbestandteile zusteht, bei denen wichtige Gründe nicht entgegenstehen (und hierunter würden Datenschutzrechte und Persönlichkeitsrechte Dritter fallen), ist bei einem Rechtsanwalt sichergestellt, dass diese Rechte Dritter beachtet werden.
OLG Zweibrücken, 1 Ws 348/16
Eine erfreuliche Entscheidung, da nochmals deutlich gemacht wird, dass bei einem Rechtsanwalt davon auszugehen ist, dass er auch schützenswerte Belange anderer Verfahrensbeteiligter achtet und schützt. Der Rechtsanwalt ist eben nicht nur Parteivertreter, sondern auch unabhängiges Organ der Rechtspflege.
Ich werde dieses Urteil sicherlich häufiger zitieren. In Bußgeldsachen verweigern häufig die Behörden Einsicht in komplette Messfilme mit dem Argument der Persönlichkeitsrechte der anderen fotografierten Verkehrsteilnehmer. Durch dieses Urteil wird klargestellt, dass dieses Argument nicht greifen kann, da die Rechte Dritter auch bei mir entsprechend gewahrt und geschützt werden.