Bußgeldkatalog ist verbindlich

Das Gericht darf den Regelsatz nicht mit der Begründung erhöhen, dass sich die Überschreitung am oberen Ende der entsprechenden Ziffer des Bußgeldkatalogs befinden würde und die Überschreitung mehr als 50% betrage (98 statt 60 km/h). Die Regelsätze der Bußgeldkatalogverordnung wurden auf Grundlage von § 26a StVG erlassen und besitzen Rechtssatzqualität. Sie sind daher verbindlich bei gewöhnlichen Umständen, das Gericht darf insoweit nicht willkürlich (hier: am oberen Ende des Regelbußenbereichs für eine fahrlässige Überschreitung um 31-40 km/h) hiervon abweichen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, es liegt ein Verstoß gegen höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Das Sicherungsbedürfnis für eine einheitliche Rechtsprechung besteht auch bei unbewusster Abweichung hiervon, ein der Rechtsprechung entsprechendes zukünftiges Verhalten des Richters müsste konkret belegt werden, allein die bloße Erwartung genügt nicht (BVerfG, 2 BvR 3071/14).

OLG Braunschweig, 1 Orbs 119/25

Und eine nur teilweise Zulassung der Rechtsbeschwerde ist zulässig.

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Ordnungswidrigkeit kann im Strafverfahren strafschärfend wirken

Der Angeklagte fuhr ein Auto ohne Fahrerlaubnis, § 21 StVG. Hierbei hatte er auch noch 0,92 Promille BAK (Ordnungswidrigkeit gem. § 24a StVG). Dies zog das Gericht strafschärfend heran und verurteilte ihn zu 7 Monaten Freiheitsstrafe.

Das ordnungswidrige Verhalten konnte bei der Strafzumessung berücksichtigt werden, da es nicht oder nur teilweise zu dem Tatbestand (Fahren ohne Fahrerlaubnis) gehört und den Unrechtsgehalt steigert.

KG Berlin, 3 ORs 38/25

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Suizid mit dem Auto

Wenn ein Autofahrer sein Auto dazu benutzt, um Selbstmord zu begehen, indem er es in den Gegenverkehr lenkt, greift nicht die Betriebsgefahr seines Kraftfahrzeugs, um den Schaden des Unfallgegners zu regulieren. Der Suizid ist eine autonome Handlung ohne Bezug zur Betriebsgefahr eines Kraftfahrzeugs, diese war hier nicht mehr unfallursächlich. Es handelt sich um eine autonome und vorsätzliche Entscheidung des Fahrers. Insoweit diente das Fahrzeug lediglich dem Transport zum Ort, eine fahrzeugspezifische Gefahr hat sich nicht verwirklicht. Die Haftpflichtversicherung muss den Schaden nicht begleichen.

OLG Hamm (Hinweisbeschluss), 9 U 42/23

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Verschriebenes Cannabis

Wer Cannabis verordnet bekommt und entsprechend der Verordnung einnimmt, begeht keine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr, wenn er keine Ausfallerscheinungen zeigt.

Auch muss eine Verordnung vorliegen, die inhaltlich § 3 MedCanG entsprechen muss, die inhaltlich §§ 2, 4 AMVV entspricht. Hierzu gehören Angaben zur Person des Verschreibenden, zur Person, für die die Verschreibung bestimmt ist, das Datum der Ausfertigung und Gültigkeitsdauer. Ein so genannter Cannabis – Ausweis ohne die vorgenannten Informationen oder die verschriebene Menge ist nicht ausreichend.

Letztendlich muss noch § 24a IV StVG auch eine Bezugnahme auf einen konkreten Krankheitsfall gegeben sein.

Und dann noch der Hinweis darauf, dass ein Joint circa 0,2-0,4 g Cannabis enthält.

AG Hamburg-Wandsbek, 726b OWi 58/25

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Urteil in Abwesenheit des Betroffenen

Wird der Betroffene von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden, ist sein vorheriger Sachvortrag (auch in vorhergehenden Schriftsätzen) zu berücksichtigen. Der vorherige Vortrag muss durch Verlesung oder Mitteilung des wesentlichen Inhalts in die Haupthandlung eingeführt werden. Wird dies nicht im Protokoll erwähnt, ist davon auszugehen, dass dies nicht erfolgte. Zumindest muss sich das Urteil hiermit auseinandersetzen. Auf diesem Fehler, also der Versorgung des rechtlichen Gehörs, beruht das Urteil, wenn dies nicht geschieht. Es ist aufzuheben.

OLG Koblenz, 3 ORbs 4 SsRs 29/25

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