Das LG Darmstadt wollte offenbar Rechtsgeschichte schreiben und übertrug eine Entscheidung des BGH aus dem Werkvertragsrecht auch auf das Schadensersatzrecht nach einem Unfall. Es vertrat die Auffassung, dass fiktiv auf Gutachtenbasis auch nach einem Verkehrsunfall nicht mehr abgerechnet werden kann.
Die Angelegenheit ging zum zuständigen OLG Frankfurt, das deutliche Worte in einem Hinweisbeschluss fand: Die Ansicht des Landgerichts, im Deliktsrecht sei nunmehr auch die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung unzulässig, ist rechtsfehlerhaft. Gemäß § 249 BGB hat der Geschädigte weiterhin Anspruch auf Ersatz der in einer Fachwerkstatt anfallenden Reparaturkosten, unabhängig davon, ob der Geschädigte das Fahrzeug tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt. Ziel sei nämlich die Totalreparation, der Geschädigte ist sowohl in der Wahl der Mittel als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei. Einzige Grenze ist das Wirtschaftlichkeitsgebot (Totalschadensabrechnung bzw. 130 %-Rechtsprechung).
Das Gericht weist noch darauf hin, dass sich die Möglichkeit der fiktiven Abrechnung ausschließlich auf Sachschäden bezieht. Nimmt der Geschädigte entsprechende Mittel für ärztliche Behandlung, Krankenhausaufenthalt oder Heilmittel nicht in Anspruch, kann er hier nicht fiktiv abrechnen.
Es geht in Schadenersatzprozessen aufgrund fiktiver Abrechnung lediglich um die Frage der erforderlichen Wiederherstellungskosten. Dies hat auch der Gesetzgeber deutlich gemacht, als er in § 249 II S.2 BGB als Ausnahmevorschrift eingefügt hat, dass die Umsatzsteuer nur erstattungsfähig ist, wenn und soweit sie tatsächlich anfällt. Der Gesetzgeber hat also ausdrücklich eine fiktive Schadensabrechnung angenommen.
Soweit das Landgericht zur Begründung seiner Auffassung anführte, die fiktive Abrechnung wäre quasi ein Einfallstor für Betrügereien (bezüglich der Abrechnung), übersteigt dies einerseits seine Kompetenz, andererseits ist diese Argumentation auch nicht tragfähig. Das Landgericht hat allerdings auch diese abwegige Meinung vertreten, ohne konkrete Zahlen zu benennen. Offenbar hat das Landgericht auch die sogenannte HIS-Datei der Versicherungswirtschaft übersehen, durch die mehrfache Reparaturen bzw. Abrechnungen verschiedener Unfälle desselben Fahrzeugs desselben Fahrzeugs ausgeschlossen werden können. Das Gericht weist dann noch darauf hin, dass es nicht Aufgabe des Landgerichts sei, eine dogmatische Neujustierung des Schadensersatzrechts vorzunehmen. Anschließend beschäftigt sich das Gericht noch ausführlich mit der in Bezug genommenen BGH-Entscheidung zum Werkvertragsrecht.
Soweit das Landgericht noch meinte, die fiktive Schadensabrechnung würde zwangsläufig zu einer Überkompensation führen, da die im Gutachten angegebenen notwendigen Aufwendungen durchweg erheblich über den tatsächlich aufgewandten Beträgen liegen würden, wird darauf hingewiesen, dass diese Erkenntnis empirisch nicht gesichert sei.
OLG Frankfurt, 22 U 210/18