Abstinenznachweis bei MPU wegen Cannabis

Nach gelegentlichem Cannabiskonsum und Verstoß gegen das Trennungsgebot (durch eine Fahrt unter Cannabis) kann eine MPU angeordnet werden. Die positive MPU kann dann aber nicht generell von der Beibringung eines Abstinenznachweises abhängig gemacht werden. Es geht um die Trennung von Konsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs. Ein Abstinenznachweis ist bei nur gelegentlichem Cannabiskonsum nur in bestimmten Fallgestaltungen notwendig.

VGH Baden-Württemberg, 13 S 366/23

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Atypischer Rotlichtfall

Liegt ein atypischer Rotlichtfall vor, kann vom Fahrverbot abgesehen werden. Dies kann unter anderem bei einem so genannten Frühstart (das wäre dann natürlich aufgrund der langen Rotlichtzeit ein qualifizierter Verstoß mit Fahrverbot) der Fall sein, wenn der Fahrer die Ampeln verwechselt oder ein Mitzieheffekt bestand. Gibt es Anhaltspunkte dafür, muss das Urteil sich hierzu äußern.

Und jetzt zitiere ich:

Solcher Ausführungen bedurfte es hier aber ausnahmsweise nicht, weil die Urteilsgründe ohne weiteres erkennen lassen, dass dem Betroffenen neben dem groben Verkehrsverstoß auch ein grober Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten zur Last fällt. Denn seine Unachtsamkeit beruhte hier nicht auf einer einfachen Verwechslung der Ampelregister oder einem Mitzieheffekt, sondern schlicht darauf, dass er, wie er gegenüber den Polizeibeamten vor Ort erklärte, „von dem Arsch der Radfahrerin abgelenkt“ war (UA S. 4). Erweiterte Darlegungsanforderungen bestanden bei dieser Sachlage nicht.

KG Berlin, 3 Ws (B) 228/19

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Abtretung von Ansprüchen gegen die Haftpflichtversicherung an die Werkstatt

Häufig verlangen Werkstätten vor der Reparatur eine Abtretung der Ansprüche gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung. Wird diese gegenüber der Versicherung offengelegt (offene Abtretung), kann der Anspruch nur noch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden. In diesem Fall muss die Aktivlegitimation bewiesen werden. Ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis liegt regelmäßig vor, da die Abtretung nur sicherungshalber erfolgte.

Grundsätzlich besteht ein Schadensersatzanspruch nur in der Höhe, die erforderlich ist, um wirtschaftlich handelnd eine Reparatur sach- und fachgerecht durchführen zu lassen. Übergibt der Geschädigte sein Fahrzeug einer Fachwerkstatt, erhält er regelmäßig auch Mehrkosten erstattet, wenn ihn kein Verschulden trifft (sog. Werkstattrisiko). Er muss dann nur entsprechende Ersatzansprüche gegen die Werkstatt wegen der unnötigen Mehrkosten abtreten.

Sind allerdings die Ersatzansprüche (offen) abgetreten, macht er Rechte der Werkstatt geltend. Vor diesem Hintergrund erscheint die Übertragung des Werkstattrisikos auf den Schädiger (oder seine Versicherung) fraglich, da hier die Werkstatt mit eigenem Wissen Mehrkosten verursacht hätte, die sie vom Fahrzeuginhaber nicht erstattet bekommen würde, aber von der gegnerischen Versicherung. Und auch, dass Ansprüche des Prozessstandschafters und nicht des Rechteinhabers abgetreten werden, erscheint problematisch.

BGH, VI ZR 147/21

Wird die Abtretung nicht offengelegt, sondern verbleibt als stille Abtretung in der Anwaltsakte, sind diese Überlegungen irrelevant. Der Geschädigte bleibt aktivlegitimiert.

OLG Bremen, 1 U 18/23

Retten kann man eine offene Abtretung ggf. auch noch durch eine Rückabtretung.

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Bedrängt durch das Video-Fahrzeug der Polizei?

Die Behörde stellte einen Bußgeldbescheid aus über eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 38 km/h. Hiergegen der Einspruch, das Amtsgericht verurteilte wegen einer Überschreitung von mindestens 25 km/h. Dagegen gab es eine Rechtsbeschwerde. Ich lasse den Rest des Urteils weg, das amtsgerichtliche Urteil hat nicht wirklich viel Gnade gefunden.

Die Ausführungen zur Bedrängung durch das Fahrzeug der Polizei sind interessant. Möchte das Gericht hierauf abstellen, um eine kurzfristige Geschwindigkeitsüberschreitung als gerechtfertigt oder entschuldigt anzusehen, muss nicht nur das Geschehen dargestellt werden, es kommt auch auf die subjektive Seite des Fahrers an. Diese muss erörtert werden. Es gibt keinen Rechtssatz, dass ein Auffahren des nachfolgenden Pkw eine nicht ganz unerhebliche Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit erlaubt. Wenn hierauf abgestellt werden soll, müssen die tatsächlichen Umstände dargestellt und in rechtlicher Hinsicht eingeordnet werden, um möglicherweise günstige Folgerungen für den betroffenen Fahrer zu ziehen. Hierbei kommt es entscheidend auf einen inneren Zusammenhang zwischen der Bedrängnis und der Geschwindigkeitsüberschreitung an.

Und dann leider noch der Hinweis, dass innerorts bei einer Überschreitung um 38 km/h (also mehr als 40 %) regelmäßig Vorsatz in Betracht kommt. Das Verfahren wurde zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurück verwiesen.

KG Berlin, 3 ORbs 158/23 – 122 Ss 71/23

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Grob verkehrswidrig und rücksichtslos

Diese Begriffe werden bei illegalen Straßenrennen (Einzelrennen) und Straßenverkehrsgefährdung gebraucht.

Grob verkehrswidrig handelt, wer sich aus egoistischen Motiven über die ihm bewusste Pflicht hinwegsetzt, eine unnötige Gefährdung anderer zu vermeiden, oder aus Gleichgültigkeit Bedenken gegen sein Verhalten überhaupt nicht erst aufkommen lässt. Es muss ein besonders gefährliches Normabweichen gegeben sein. Nur schnelles Auffahren und rechts überholen reichen ohne genauere Beschreibung der Gefährlichkeit nicht aus. Diese muss konkret vorliegen, die Schadensabwendung also nicht mehr gezielt möglich sein, sondern zufällig erfolgen (Beinaheunfall, gerade noch mall gut gegangen).

Rücksichtslosigkeit kann als subjektives Element auch nicht nur aus dem äußeren Geschehen hergeleitet werden. Es kommt also nicht nur auf den Wunsch eines schnelleren Fortkommens an (das hat jeder Schnellfahrer), es muss auch eine Auseinandersetzung mit der Motivation des Fahrers erfolgen.

OLG Koblenz, 4 ORs 4 Ss 16/23

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