Kraftfahrzeugrennen oder Mord

Zwei Fahrzeuge lieferten sich innerorts ein Rennen (Geschwindigkeit zumindest bis 167 km/h), bei dem ein Fahrer vereinbarungsgemäß auf die Gegenfahrbahn wechselte. Aus einer Seitenstraße bog ein Auto ein, der Fahrer auf der Gegenfahrbahn versuchte noch eine Vollbremsung, es kam trotzdem zur Kollision, die einbiegende Fahrerin verstarb. Es wurde diesmal wegen eines Straßenrennens mit Todesfolge und Gefährdungsvorsatz verurteilt, nicht wegen Mordes.

Dem BGH reichten die Erwägungen zur Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit / Eventualvorsatz nicht aus. Es wurde beispielsweise nicht geklärt, ob der Fahrer schon vorher hätte auf seine Fahrbahn zurückwechseln können, diese Feststellungen ließen sich nicht treffen. Einem solchen risikovermindernden Verhalten hätten sich Ansatzpunkte entnehmen lassen können.

Allerdings hat das LG bedingten Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d StGB (Straßenrennen) angenommen und darauf abgestellt, dass es zu einem Unfall kommen könnte. Insofern war es nicht ausreichend, dass es hinsichtlich eines Mordes davon ausging, dass der Täter auf der gut ausgebauten Straße bei einem nur kurzen Rennen (einige Sekunden) davon ausging, dass kein Zusammenstoß passieren würde, weil er meinte, dass Fahrer aus Seitenstraßen die Vorfahrtsstraße beachten müssten und die riskante Fahrweise erkennen würden.

BGH, 4 StR 211/22

Das Verfahren lag zum zweiten Mal beim BGH, das LG entscheidet nun erneut. Die Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit (ernsthaftes Hoffen auf den Nichteintritt) / Eventualvorsatz (billigende Inkaufnahme) muss erneut vorgenommen werden. Es muss dargelegt werden, welche Möglichkeiten der Geschehensentwicklung sich der Angeklagte vorstellte, die zwar möglicherweise (von ihm gehofft) nicht in einem Unfall enden, aber eine Gefährdung oder einen Beinaheunfall herbeiführen könnten. Dies ist auch relevant für eine Verurteilung nach § 315d IV StGB, da auch der Gefährdungsvorsatz nachgewiesen sein muss (II). Es kann also alles dabei herauskommen, eine Verurteilung wegen Mordes oder auch nur wegen eines „einfachen“ Rennens.

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