Verfahrenseinstellung nach Verjährung und die Anwaltskosten

Wenn ein Bußgeldverfahren wegen Eintritts der Verjährung eingestellt werden muss, fallen grundsätzlich alle Kosten (auch die Anwaltskosten) nach §§ 46 I OWiG, 467 I StPO der Staatskasse zur Last.

Von dieser Regel kann nur ausnahmsweise abgesehen werden (dann muss der Betroffene seinen Anwalt selbst bezahlen), wenn eine Verurteilung ohne den Eintritt der Verjährung sicher gewesen wäre. Dies ist grundsätzlich erst nach vollständiger Beweisaufnahme und dem letzten Wort des Betroffenen der Fall.

Aber selbst, wenn man der Gegenmeinung folgen würde, die davon ausgeht, dass es ausreicht, dass nach den bisherigen Erkenntnissen eine Verurteilung sicher erscheint und keine Umstände bestehen, die dies in Frage stellen könnten, müssen der Verteidigung zumindest alle ihr zustehenden und von ihr angeforderten Informationen zur Verfügung gestellt worden sein. Dies war im entschiedenen Fall nicht der Fall, trotz gerichtlicher Entscheidung nach § 62 OWiG wurde weder die Baumusterprüfbescheinigung noch die verkehrsrechtliche Anordnung überlassen. Somit stand eine Verurteilung keinesfalls fest, insbesondere muss die Nichtüberlassung auch im Rahmen des Ermessens bei der Kostenentscheidung (Regel: die Staatskasse trägt die Kosten; Ausnahme: die Anwaltskosten muss der Betroffene selbst bezahlen) beachtet werden.

LG Trier, 1 Qs 24/23

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Kindergeld und die Grundrente nach einer Gewalttat

Kindergeld gibt es auch für ein volljähriges, behindertes Kind, bei dem die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und sich das Kind aufgrund der Behinderung nicht selbst unterhalten kann. Bei der Berechnung des der Tochter zustehenden Einkommens wollte das Finanzamt unter anderem eine Beschädigtengrundrente (nach dem Opferentschädigungsgesetz) einbeziehen, die die Tochter nach einer gegen sie gerichteten Gewalttat erhält.

Geht nicht, diese Grundrente soll wesentlich dem Ausgleich immaterieller Schäden dienen, nicht der Sicherung des Lebensunterhalts. Sie wird also bei der Vergleichsrechnung nicht den Einkünften und Bezügen des Kindes zugerechnet.

BFH, III R 7/21

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Regulierung auf Basis 100 %

Reguliert eine Versicherung vorgerichtlich unter Annahme einer 100-prozentigen Haftung und erhebt nur Einwendungen gegen die Höhe einzelner Positionen, ist hierin ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis der vollständigen Haftung zu erkennen. Dies muss auch nicht ausdrücklich erwähnt werden. Im nachfolgenden Gerichtsverfahren kann sich die Versicherung nicht gegen die Haftung dem Grunde nach wehren, dies hätte fatale Folgen für die Regulierungspraxis von Haftpflichtschäden.

OLG Schleswig, 7 U 15/23 (Hinweisbeschluss)

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Ab welchem Schaden darf ein Sachverständigengutachten beauftragt werden?

Grundsätzlich darf der Geschädigte eines Verkehrsunfalls einen Sachverständigen mit der Ermittlung des Schadens beauftragen. Die Kosten des Sachverständigen muss dann die gegnerische Versicherung zahlen. Als Ausnahme hat sich eine sogenannte Bagatellgrenze herausgearbeitet, die grundsätzlich bei circa 750 € liegt (u.a. BGH, VI ZR 365/03).

Dies wurde aktuell bestätigt. Bei geschätzten netto – Reparaturkosten von 1200 € (etwas über diesen Schätzbetrag lagen dann auch die ermittelten Reparaturkosten), durfte ein Sachverständiger beauftragt werden, dessen Kosten bei 520 € lagen. Das Argument, dass es sich trotz der über der Grenze liegenden Reparaturkosten lediglich um eine kleine Beule gehandelt haben soll, griff hier nicht. Weder war für den laienhaften Betrachter erkennbar, ob nicht doch Teile unter der Beule beschädigt worden waren, noch welche Lackierarbeiten erforderlich werden können. Die Versicherung musste den Sachverständigen zahlen,

AG Geilenkirchen, 10 C 44/23

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Fahrtenbuchauflage bei Mitwirkung des Halters

Wenn der Halter mitteilt, wem er das Fahrzeug überlassen hat, der Bußgeldbehörde aber Schreibfehler bei der Anfrage bei den zuständigen Behörden unterlaufen, geht dies nicht zulasten des Halters. Dann kann kein Fahrtenbuch nach § 31a StVZO beauflagt werden.

OVG Münster, 8 B 185/23

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