Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nur zeitnah?

Nach einer Unfallflucht mit bedeutendem Schaden (ca. 7.000 €) wurde der angeklagte Heranwachsende vom AG verurteilt, die Fahrerlaubnis wurde entzogen. Hiergegen legte er Berufung ein, nunmehr entzog das AG nach § 111a StPO vorläufig ca. 7 Monate später die Fahrerlaubnis im laufenden Verfahren. Die hiergegen eingelegte Beschwerde war erfolgreich.

Unter zwingender Zugrundelegung des erstinstanzlich festgestellten Sachverhalts wurde auf die zeitliche Distanz zur Tat rekuriert (keine Eilbedürftigkeit mehr gegeben), es erscheint eine vorläufige Entziehung nach mehr als 6 Monaten unverhältnismäßig, insbesondere da zwischenzeitlich keine Verkehrsverstöße gegeben waren.

LG Frankfurt, 5/3 Qs 8/23

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Zufahren auf Beamte

Der Angeklagte wollte einem Haltzeichen einer Beamtin nicht nachkommen und fuhr zügig auf sie zu, sie musste zur Seite springen. Er wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte (§114 StGB) verurteilt.

OLG Karlsruhe, 1 Orbs 35 Ss 57/23

Die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung (Haltzeichen) beurteilt sich nach dem sog. strafrechtlichen Rechtmäßigkeitsbegriff, es kommt nur darauf an, dass der Beamte sachlich und örtlich handeln darf, die vorgeschriebenen Förmlichkeiten einhält und sein Ermessen pflichtgemäß ausübt. Die Grenze der Duldungspflicht wäre erst überschritten, wo die Amtshandlung mit der geforderten Rechtsbindung hoheitlichen Handelns (Art. 20 III GG) unvereinbar ist.

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Vom Feldweg auf die Landstraße

Wer aus einem Feldweg auf eine Landstraße einbiegen will, muss Radfahrern auf dem neben der Landstraße verlaufenden Radweg die Vorfahrt gewähren. Unerheblich ist, ob der Radweg durch einen Grünstreifen von der Fahrbahn getrennt ist, er nimmt am Vorfahrtsrecht der Landstraße teil.

Im Falle eines Unfalls haftet der Autofahrer.

LG Frankenthal, 2 S 94/22

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Kraftfahrzeugrennen oder Mord

Zwei Fahrzeuge lieferten sich innerorts ein Rennen (Geschwindigkeit zumindest bis 167 km/h), bei dem ein Fahrer vereinbarungsgemäß auf die Gegenfahrbahn wechselte. Aus einer Seitenstraße bog ein Auto ein, der Fahrer auf der Gegenfahrbahn versuchte noch eine Vollbremsung, es kam trotzdem zur Kollision, die einbiegende Fahrerin verstarb. Es wurde diesmal wegen eines Straßenrennens mit Todesfolge und Gefährdungsvorsatz verurteilt, nicht wegen Mordes.

Dem BGH reichten die Erwägungen zur Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit / Eventualvorsatz nicht aus. Es wurde beispielsweise nicht geklärt, ob der Fahrer schon vorher hätte auf seine Fahrbahn zurückwechseln können, diese Feststellungen ließen sich nicht treffen. Einem solchen risikovermindernden Verhalten hätten sich Ansatzpunkte entnehmen lassen können.

Allerdings hat das LG bedingten Gefährdungsvorsatz im Sinne des § 315d StGB (Straßenrennen) angenommen und darauf abgestellt, dass es zu einem Unfall kommen könnte. Insofern war es nicht ausreichend, dass es hinsichtlich eines Mordes davon ausging, dass der Täter auf der gut ausgebauten Straße bei einem nur kurzen Rennen (einige Sekunden) davon ausging, dass kein Zusammenstoß passieren würde, weil er meinte, dass Fahrer aus Seitenstraßen die Vorfahrtsstraße beachten müssten und die riskante Fahrweise erkennen würden.

BGH, 4 StR 211/22

Das Verfahren lag zum zweiten Mal beim BGH, das LG entscheidet nun erneut. Die Abgrenzung bewusste Fahrlässigkeit (ernsthaftes Hoffen auf den Nichteintritt) / Eventualvorsatz (billigende Inkaufnahme) muss erneut vorgenommen werden. Es muss dargelegt werden, welche Möglichkeiten der Geschehensentwicklung sich der Angeklagte vorstellte, die zwar möglicherweise (von ihm gehofft) nicht in einem Unfall enden, aber eine Gefährdung oder einen Beinaheunfall herbeiführen könnten. Dies ist auch relevant für eine Verurteilung nach § 315d IV StGB, da auch der Gefährdungsvorsatz nachgewiesen sein muss (II). Es kann also alles dabei herauskommen, eine Verurteilung wegen Mordes oder auch nur wegen eines „einfachen“ Rennens.

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Finale, ausländische Betriebsstättenverluste

Besteht nach dem Doppelbesteuerungsabkommen für ausländische Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte kein Besteuerungsrecht in Deutschland, können auch sogenannte finale, d.h. nicht mehr im Ausland verwertbare Betriebsstättenverluste in Deutschland nicht steuermindernd geltend gemacht werden (beispielsweise bei Schließung der Betriebsstätte). Diese Auffassung wurde auch vom EuGH in Abänderung bisheriger Rechtsprechung bestätigt (C-538/20).

BFH, I R 35/22

Hier ging es um die selbständige Zweigniederlassung einer Bank in Großbritannien, die niemals Gewinne machte und dann wieder geschlossen worden ist.

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